Karl Blossfeldt (1865–1932)

Ursprünglich aus der Praxis der künstlerischen Lehre an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt, zweckgerichtet konzipiert und als Unterrichtsvorlagen eingesetzt, zählen Karl Blossfeldts Pflanzenphotographien heute zu den Klassikern der Kunst- und Photographiegeschichte.

Von 1899 bis 1930 hat Blossfeldt das Fach „Modellieren nach lebenden Pflanzen“ unterrichtet, zunächst an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums Berlin, später an den aus deren Fusion mit der Hochschule für die Bildenden Künste 1924 hervorgegangenen Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst, Vorgängerinstitutionen der Universität der Künste Berlin. Wesentliche Impulse für dieses Fach gingen von Moritz Meurer aus, für den Karl Blossfeldt von 1892 bis 1895 in Rom als Stipendiat tätig war. Dort wurden nach Meurers Vorgaben Vorlagen in Form von Pflanzenpräparaten, Plastiken, Abgüssen und Zeichnungen sowie auch schon als Photographien erarbeitet, die anschließend im Unterricht eingesetzt wurden. Meurers Idee, die grundlegenden Formen der Natur, wie sie der Aufbau einer Pflanze vor Augen führt, für architektonische, künstlerische oder kunsthandwerkliche Objekte oder Ornamente zum Vorbild zu nehmen, ist in die Arbeiten von Blossfeldt eingeflossen und von ihm konsequent weitergeführt worden.

Aus einem Brief von 1906 an die Direktion des Kunstgewerbemuseums ist zu erfahren, dass Blossfeldt damals bereits tausend seiner Aufnahmen vorliegen hatte, von denen er nach und nach Abzüge fertigen wollte. Anstoß zu diesen photographischen Vergrößerungen gaben ihm dabei mehrere Gründe:

  • Die von Blossfeldt für seine Schüler gesammelten Pflanzen, die sich relativ schnell veränderten, sei es durch Wachstum oder dadurch, dass sie verblühten oder vertrockneten, konnten in der photographischen Aufnahme dauerhaft als Modell bewahrt werden.
  • Anhand der Vergrößerungen ließen sich selbst die kleinsten Naturformen nachvollziehen.
  • Die photographischen Vergrößerungen boten die Möglichkeit, die „unverfälschte Natur“ zu zeigen, „während“ – so Blossfeldt – „durch zeichnerische Vergrößerung stets etwas Persönliches hinein kommt“.

Sein Material sollte als Mustersammlung betrachtet werden, die auch für weitere Studentengenerationen zur Verfügung stehen sollte.

Die technischen Voraussetzungen, mit denen Karl Blossfeldt arbeitete, sind nicht genau überliefert. Im Karl-Blossfeldt-Archiv/Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München, und in der Deutschen Fotothek Dresden sind Glasnegativplatten und Dias, unterschiedlichen Formats (6/6,5 x 9 cm, 9 x 12 cm, 9 x 18 cm und 13 x 18 cm) erhalten. Von seiner Kamera – womöglich hatte er mehrere – weiß man, dass er sie vermutlich ganz oder in Teilen selbst baute. Anhand der erhaltenen Arbeitscollagen aus dem Bestand des Karl-Blossfeldt-Archivs/Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München, lässt sich ein guter Eindruck von seinen Negativen gewinnen, da die darin im Einzelnen verwendeten Bilder auf Kontaktabzüge von Blossfeldt zurückgehen.

Dass Karl Blossfeldt eine große Bekanntheit zukommen sollte, verdankt sich dem glücklichen Umstand, dass der Berliner Galerist Karl Nierendorf auf seine Photographien aufmerksam wurde und 1926 die erste Ausstellung außerhalb des Schulkontextes realisierte, in der Nierendorf die Aufnahmen mit Plastiken aus Afrika und Neuguinea sowie mit Arbeiten des Künstlers Richard Janthur gemeinsam zeigte. 1928 erschien ebenfalls auf Initiative Nierendorfs die Publikation Urformen der Kunst mit 120 Pflanzentafeln von Blossfeldt. Das Buch wurde begeistert aufgenommen, sodass schon in den unmittelbaren Folgejahren weitere Auflagen und fremdsprachige Ausgaben in Englisch, Französisch und Schwedisch erschienen. In diesen Studien löste sich die in der Kunst der 1920er-Jahre neu gesetzte Maxime in hohem Maß ein, mit der man forderte, die Dinge ohne künstlerische Umschweife in einer klaren Bildsprache authentisch, gleichfalls zum Erkenntnisgewinn über ihre Natur darzustellen. Dass Blossfeldt dies gelang, ist umso erstaunlicher, als er doch seine Leistung zunächst unbeeindruckt von der Fragestellung um eine künstlerische oder photographiegeschichtliche Einordnung erbrachte. Motiviert wurde er in erster Linie durch eine didaktische und pragmatische Absicht, die von ihm dargestellten Pflanzenformen in großer Genauigkeit abzubilden, um so einwandfrei, dem natürlichen Seheindruck entsprechende Studienvorlagen zu liefern, die seine Studenten zu künstlerischer Umsetzung anregen sollten.

Mit seiner leidenschaftlichen Konzentration auf ein Thema, das Blossfeldt beinahe endlos auf kleinem Feld variierte und so für ein vergleichendes Sehen öffnete, wurde er vor allem wieder seit den 1970er-Jahren im Zuge einer Neuorientierung des Mediums sehr geschätzt und gewann so auch indirekt auf die zeitgenössische Kunst Einfluss, sodass das Wissen um seine Bilder die heutige Betrachterperspektive lenkt.

Karl Blossfeldt hat seinen Erfolg nicht lange erlebt, er starb im Dezember 1932, im Erscheinungsjahr seines zweiten Buchs "Wundergarten der Natur".

Bestände befinden sich im Karl-Blossfeldt-Archiv/Ann und Jürgen Wilde, Teil der 2010 gegründeten Stiftung Ann und Jürgen Wilde, die den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Pinakothek der Moderne, München, angegliedert ist; des Weiteren im Archiv der Universität der Künste Berlin und der Deutschen Fotothek Dresden.