Bauernkinder

August Sander: Bauernkinder, um 1913/Abzug 1923
Gelatinesilberabzug
21,5,x 15,6 cm
Copyright: Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn
Inventar-Nr.: CT3-2-5

Mit seinem aus sieben Gruppen und 45 Mappen bestehenden Porträtwerk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ schuf August Sander ein Gesellschaftsporträt seiner Zeit – dass darin auch Kinder ihren Platz finden, bezeugen zahlreiche Aufnahmen. Sie begegnen dem aufmerksamen Betrachter bereits in der Stammappe, insbesondere aber in den Porträt-Mappen „Das Bauernkind und die Mutter“, die „Bauernfamilie“, „Die Frau und das Kind“ sowie „Die Familie“. Dabei wird nicht nur deutlich, wie Kinder ihre Rolle in der jeweiligen sozialen Gruppe finden und von ihr geprägt werden. Gerade aus heutiger Perspektive sind die Bilder auch aufschlussreich in Bezug darauf, welche Haltung im Gegenüber mit der photographischen Kamera eingenommen wird.

Das Bild „Bauernkinder, um 1913“ zeigt eine Gruppe von drei kleinen Kindern vor einem Gartenzaun. Der linke Junge legt seinen Arm um einen großen Hund, der sich wie ein Spielgefährte in die kleine Gruppe einfügt. Der größere Junge rechts hält in der Hand eine kleine Peitsche, vor ihm steht ein Holzpferd. Das kleinste Kind in der Mitte sitzt in einem Kinderwagen mit hölzernem Griff und hält eine Puppe in der Hand. Die Kleidung der Kinder sowie der Wagen zeugen von einer vergangenen Zeit, das Spielzeug mag als Accessoire auf spätere Tätigkeiten verweisen und zugleich bestehende Rollenbilder von Jungen und Mädchen bestätigen. Formal bilden die Kinder insbesondere über den Körperkontakt und die Handhaltungen eine Einheit. Durch die enge Bildrahmung und den unscharfen Hintergrund wird die kleine Gruppe nah an den Betrachter herangeführt. Auffällig sind die ernsten Gesichtsausdrücke der Kinder: So schaut der Junge rechts im Bild konzentriert auf den Photographen während das Kleinkind den Blick fast skeptisch auf die Kamera zu richten scheint. Wie auf anderen Bildern Sanders wird hier deutlich, dass das Photographieren und Photographiert-Werden – anders als heute, wo Kinder bereits in die Kamera lächeln bevor sie sprechen lernen – zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch keine Selbstverständlichkeit darstellte. Gerade in den ländlichen Regionen war der Besuch eines Photographen, der zu Festtagen, Hochzeiten oder für offizielle Familienbildnisse anreiste, ein Ereignis.

Im Bestand der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur sind zwei Original-Abzüge der Aufnahme erhalten, die von den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen Sanders zeugen: Ein kleinerer Abzug im originalen Rahmen aus Privatbesitz zeugt von den Auftragsarbeiten, die Sander seit ca. 1910 im Westerwald und in Köln annahm. Ein größerer Abzug verdeutlicht sein künstlerisches Vorgehen, in dessen Kontext das Bild „Bauernkinder, um 1913“ in der Mappe „Das Bauernkind und die Mutter“ seinen Platz findet.