Martin Rosswog: In Portugal 2009–2011

Photographien aus Alentejo und Trás-os-Montes

28. September 2020 - 08. November 2020

Martin Rosswog: Küche von Maria del Carmen Garcia de Figueiredo, Barrancos, Portugal, 2009, © Martin Rosswog/VG Bild-Kunst, Bonn

Photographien aus Alentejo und  Trás-os-Montes

Seit den 1980er-Jahren arbeitet der Photograph und Filmemacher Martin Rosswog (* 1950) an seinem Langzeitprojekt, das sich den Wohn- und Lebensräumen im ländlichen Bereich widmet. Mit großem persönlichem Einsatz hat Rosswog seither zahlreiche Regionen in Europa bereist, war in kleinen, teils entlegenen Dörfern und Ansiedlungen, um möglichst authentische, traditionelle landwirtschaftlich oder handwerklich geprägte Lebensweisen aufzuspüren – ohne die Einflüsse der modernen Globalisierung außer Acht zu lassen.

Die aktuelle Ausstellung zeigt eine Auswahl aus mehreren in Portugal erarbeiteten photographischen Reihen. Zwei sind in Barrancos entstanden, eine Kleinstadt in der südlichen Region Alentejo, unmittelbar an der spanischen Grenze gelegen. Die Geschichte des Alentejo, portugiesisch „jenseits des (Flusses) Tejo“, ist gekennzeichnet durch vermögende Großgrundbesitzer, in deren Diensten Landarbeiter und Tagelöhner oft unter prekären Bedingungen tätig waren. Das Klima ist vor allem im Süden sehr trocken und heiß, entsprechend aufwendig die Bearbeitung des Bodens, entsprechend karg die Ernte. Man mag angesichts Rosswogs Ansichten an „Hoffnung im Alentejo“, den Roman des Nobelpreisträgers für Literatur José Saramago denken, der am Beispiel einer Familie die Lebensverhältnisse dieser verarmten Schicht schildert. Heute hat sich die Situation vielfach verbessert, Tourismus und Investoren aus dem Ausland haben Einzug gehalten.

Auf einem Anwesen von ehemaligen Großgrundbesitzern hat Martin Rosswog eine Wohnung photographiert, die von Maria del Carmen Garcia de Figueiredo und ihrer ehemaligen Hausangestellten Maria Teresa Neves Carualho bewohnt wird. Rosswog hat in Barrancos und Umgebung insgesamt vier verschiedene Anwesen von Großgrundbesitzern umfassend dokumentiert. Im Gegensatz zu diesen reich ausgestatteten Räumen und Gebäuden, die von Wohlstand und Standesbewusstsein über Generationen zeugen, erscheint das Haus von Maria José Caçador Bergamo wesentlich bescheidener. Doch so beengt die Räume wirken, in den einfühlsamen Aufnahmen von Martin Rosswog, durch sein Gespür für Komposition und seinen Blick für Details, fächert sich ein persönlicher Kosmos mit familiären Erinnerungsstücken und Verweisen auf die alltäglichen Lebensbedingungen detailreich auf.

Zwei weitere in der Ausstellung vorgestellte Bildreihen sind in der Region Trás-os-Montes entstanden, die sich im Nordosten Portugals, an der Grenze zum spanischen Galizien befindet. Die Photographien von Martin Rosswog zeigen zwei Wohnungen in den kleinen Bergdörfern Vale de Algoso und Vilar Chá. Das „Land hinter den Bergen“ hat historisch eine andere wirtschaftliche Struktur als der Alentejo im Süden. Kein Großgrundbesitz, sondern viele Kleinbauern bearbeiten das Land, teils bis heute in althergebrachter Art und Weise. Dennoch haben in den 1960er-Jahren viele das Land verlassen, um sich etwa in Frankreich oder der Schweiz Arbeit zu suchen. Spätestens als Rentner sind die Menschen teils wieder zurückgekehrt.

Ein von der EU gefördertes Projekt unterstützt den baulichen Erhalt landestypischer Gehöfte und die Erforschung traditioneller, bäuerlicher Anbaumethoden. Eine Mitarbeiterin des Projektes hat den Photographen über einen längeren Zeitraum bei seiner Arbeit ratgebend begleitet. Beide Dokumentationsreisen in die Regionen von Portugal, die Martin Rosswog unternommen hat, wurden vorbereitet und gefördert vom Departamento de Antropologia, Universidade NOVA de Lisboa, Lissabon. Die Stadt Barrancos unterstützte das Projekt durch eine Assistentin, mit der Martin Rosswog gemeinsam die zu photographierenden Häuser aussuchte.

Martin Rosswog arbeitet in systematisch angelegten Bildreihen, in denen er jeweils ein vorgefundenes Haus oder Gehöft dokumentiert. Ein Portrait der Bewohner gehört dazu, Außenansichten des Gebäudes und des Grundstückes und schließlich die Ablichtung der Innenräume mit näher betrachteten Details. Er verwendet zumeist eine Großbildkamera, bevorzugt Farbe. Für Schwarz-Weiß entscheidet sich Rosswog bisweilen bei Außenansichten des Ortes oder der umgebenden Landschaft. So ist im Laufe der Jahrzehnte ein beeindruckendes künstlerisches Werk entstanden, das eine Welt vor Augen führt, die teils über Jahrhunderte die Lebenszusammenhänge geprägt hat und nun mehr und mehr im Verschwinden begriffen ist.

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur hat Martin Rosswogs beeindruckendes Werk bereits 2015 in einer Retrospektive und mehrfach in Gruppenausstellungen gezeigt, die hauseigene Sammlung umfasst zahlreiche Werke aus seinem Archiv.