Max Regenberg: Urban Decorations – Die dekorierte Stadt

15. Juli 2016 - 16. Oktober 2016

Max Regenberg: Tankstelle, 1980, Köln, D., © Max Regenberg, Courtesy Galerie Thomas Zander, 2016

Urban Decorations – Die dekorierte Stadt bringt uns Stadtbilder näher, mit denen wir im Grunde tagtäglich konfrontiert sind. Wir nehmen diese aber meist weniger bewusst wahr als der Künstler Max Regenberg (* 1951). Das Phänomen der Außenwerbung, der Großplakatierung an Wänden oder in Leuchtkästen sowie Bild- und Schriftstatements im öffentlichen Raum beschäftigt ihn seit rund 40 Jahren. So kann er heute auf ein enorm umfangreiches photographisches Material blicken, aus dem er für die aktuelle Ausstellung repräsentative und weitgehend zuvor nicht gezeigte Werke sowie Dokumentationsstücke als Vitrinenmaterial ausgewählt hat. Regenberg gibt damit Einblick in seine einzigartige wissenschaftlich-künstlerische Studie, die er seit Ende der 1970er-Jahre in Eigeninitiative über das Thema betreibt, begonnen nach seiner Ausbildung in einem Kölner Studio für Werbephotographie. Als er 1977 nach Kanada auswanderte, stellte er dort wie auch auf anschließenden Reisen durch die USA fest, wie weit fortgeschritten und einflussreich die Medienwelt dort war. Und diese Bewegung sollte sich zukünftig auch nach Europa fortsetzen, ohne dass sie im Allgemeinen kritisch reflektiert worden wäre. Dies war eine zentrale Erfahrung, die ihn auf seinem Weg bestärkte, die Werbewelt weiter im Auge zu behalten – doch eben nicht als Werbephotograph, sondern als Künstler im Umgang mit Photographie und visuellen Darstellungen, als sensibler Beobachter, der im weiten Feld zwischen Hochkunst und Profankultur auf Text-Bild-Befragungen zielt.

Das Archiv von Max Regenberg umfasst heute neben Tausenden von ihm analog aufgenommenen Photographien in Negativen und Abzügen ähnlich viele originale Großplakate, Werbeanzeigen und Literatur, die die Entwicklung sich wandelnder Werbestrategien plastisch vor Augen führen. Gleichwegs untersucht er das photographische Medium als künstlerisches Mittel und vermag so auch auf die kontinuierlich wachsenden Wechselwirkungen der zunächst unterschiedlich intendierten Bildwelten zu verweisen. Damit transportiert Max Regenberg nicht nur die Geschichte der modernen Photographie, sondern auch seine Sicht auf den fortschreitenden Pictorial Turn. Mehr und mehr stellt der Photograph fest, dass sich die Botschaften technisch-werblichen und künstlerischen Ursprungs im Stadtraum vermischen. Wir treffen also auf zahlreiche, visuelle und sprachliche Codes sowie Klischees, die an uns appellieren und deren Hintergründe sich lohnen, entschlüsselt zu werden.

Stellt uns Max Regenberg in seiner Ausstellung Schwarz-Weiß-Photographien vor, so gehen diese auf die Jahre 1978 bis 1985 zurück und wurden von ihm als Handabzüge ausgearbeitet. In einer ersten Gruppe sind Motive aus Kanada, Frankreich, Österreich und Deutschland, hier vor allem aus Köln vorgestellt: Großplakate oder auch dafür vorgesehene Freiflächen im Stadtbild, positioniert an Parkplätzen und brach liegenden Ecken, Bushaltestellen und Häuserfassaden, teils auf hohe Pfosten gesetzt, damit sie von weit her sichtbar sind.
    Mit seiner schwarz-weißen Serie "M come to Where" stellt Max Regenberg eine ebenso früh begonnene Serie vor. In über 40 Photographien, die er an internationalen Orten aufgenommen hat, fokussierte er speziell auf die Zigarettenwerbung von Marlboro, die in vielen Versionen an geradezu jeder Straßenecke allgegenwärtig war und uns mit Klischees aus der schier grenzenlosen Cowboy- und Westernwelt zu beeindrucken suchte.
    Weiter noch trifft man in der Ausstellung unter anderem auf einnehmend farbige großformatige Exponate, die in jüngster Zeit entstanden sind. Sie lassen nicht nur in beeindruckender Weise die farbigen Tafeln in urbaner Umgebung erleben, sondern scheinen es durch ihre Dimension selbst mit der Ästhetik der Großplakate aufzunehmen. Immerzu gelingt es Regenberg offenbar signifikante Konstellationen zu finden, in denen die Versprechungen werblicher Wunschwelten mit der faktgegebenen Wirklichkeit eine aussagestrake Liaison eingegangen sind. Im urbanen Asphaltgrau ebenso wie in städtischer Vegetation heben sich die Farben der Werbewelten heraus, Bilder im Bild, die uns auf Distanz stellen und so zugleich einen neuen, kritischeren Überblick gewinnen lassen. Deutlich wird, wie präzise Regenberg seine Motive ansteuert, sie fixiert und damit geradezu dem Strom des Vergessens entreißt, um sie umso klarer ins Bewusstsein zu heben.
Konsequent schließt sich auch Regenbergs Interesse für sogenannte Schriftbilder, Werbetafeln und Plakatierungen an, die Worte und Texte ikonisch verwenden und bisweilen wie Kommentatoren einer vorgefundenen Situation auftreten. Der Künstler befragt mit dieser Bildreihe einerseits die unmittelbare Wirkung von Schrift im Vergleich zum Bild, andererseits den jeweils zum Ausdruck kommenden Gehalt der beiden Kommunikationsmittel, schließlich die unterschiedliche Struktur und Systematik.

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur präsentierte das Werk von Max Regenberg bereits 2007 beispielhaft in der Gruppenausstellung Stadt–Bild–Köln. Es gehört zur programmatischen Ausstellungspraxis des Hauses, dass spezifische künstlerische Positionen in ihrer weiteren Entwicklung nochmals vertieft vorgestellt werden.

Zur Ausstellung wird die Monographie Billboards von Max Regenberg angeboten, herausgegeben von Thomas Zander, mit Texten von Klaus Honnef und Jeff Rian, Buchhandlung Walther König, Köln, 2014.