Der typologische Blick – Ausstellung für Hilla Becher
13. Juni 2016 - 03. Juli 2016
Mit Photographien von Bernd und Hilla Becher, Max Becher und Andrea Robbins sowie Boris Becker, Laurenz Berges, Natascha Borowsky, Wendelin Bottländer, Frank Breuer, Susanne Brodhage, Ralf Brueck, Götz Diergarten, Volker Döhne, Chris Durham, Elger Esser, Claudia Fährenkemper, Anna Ferrer, Bernhard Fuchs, Ulrich Gambke, Edith Glischke, Claus Goedicke, Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Manfred Jade, Jörg Paul Janka, Christof Klute, Matthias Koch, Christian Konrad, Yoonjean Lee, Katharina Mayer, Ralph Müller, Thomas Neumann, Simone Nieweg, Tata Ronkholz, Martin Rosswog, Thomas Ruff, Jörg Sasse, Heiner Schilling, Nina Schmitz, Stefan Schneider, Kris Scholz, Josef Schulz, Sigune Siévi, Christine Sommerfeldt, Daniela Steinfeld, Thomas Struth, Birgitta Thaysen, Petra Wunderlich, Andrea Zeitler
Die Ausstellung ist Hilla Becher gewidmet, der bedeutenden Photographin, die am 10. Oktober 2015 im Alter von 81 Jahren verstarb. Sie hinterließ ein gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann Bernd Becher (1931–2007) erarbeitetes epochemachendes Werk. Die von Bechers geschaffenen markanten Photographien von Industriebauten – u. a. Fördertürme, Hochöfen, Wasser- und Kühltürme – sind bereits zu Lebzeiten der Künstler in das kollektive Gedächtnis eingegangen und sind als ästhetische wie kulturhistorische Werke hochbedeutend.
International hat das Ehe- und Künstlerpaar zahllose Künstler, Photographen, Kunsthistoriker und -wissenschaftler in ihrem Schaffen beeinflusst, seit den 1960er-Jahren die Photographie im Kunstkontext nachhaltig bestärkt und das Medium in eine neue Zeit geführt. Durch die Professur von Bernd Becher an der Kunstakademie Düsseldorf (1976–1996) hat sich eine künstlerische Richtung ausgeprägt, die sich in Reflexion der Frühzeit der Photographie, verschiedener stilistischer Strömungen, so der neuen Sachlichkeit bis hin zum Surrealismus, graphischer Darstellungsmethoden in wissenschaftlichen und werblichen Bereichen ebenso wie der Konzeptkunst entwickeln konnte.
Der typologische Blick sollte dabei ein bedeutender Maßstab sein und zu Fragestellungen anleiten, die in der Folge eine große Bandbreite individueller photographischer Konzepte eröffnen. In der künstlerischen Praxis und auch in der Lehre bedeutete dies vor allem die Beachtung eines themenkonzentrierten, Realität abbildenden Vorgehens. Groß geschrieben wurde das vergleichend analytische Sehen und Abwägen einzusetzender bildnerischer Mittel. Dazu zählte das Serielle als formgebendes Prinzip, ein differenziertes Ausloten von Bildgrößen, der bewusste Einsatz unterschiedlicher Formate und Präsentationsweisen und die etwaige Zusammenstellung von Künstlerbüchern.
Der Begriff der Becher-Schule hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der kunstgeschichtlichen Rezeption mehr oder weniger verfestigt, mehrere Publikationen gehen darauf ein und doch verdient das Thema eine erweiterte Betrachtung. Denn blickt man allein auf die ehemalige Studentenschaft, so entfaltet sich eine Variationsbreite der einzelnen künstlerischen Ansätze. Wenn diese Ausstellung auch keine vertiefte Ausdifferenzierung der sogenannten Becher-Schule leisten kann, so soll sie doch Impulse liefern, sich mit dem Schaffen der einzelnen Teilnehmer auseinanderzusetzen.
Zur Ausstellung wurden Künstler/-innen eingeladen, die ehemals in der Klasse Becher an der Kunstakademie Düsseldorf studierten und mit Bernd und Hilla Becher in persönlichem Austausch standen. Alle waren aufgefordert, einige repräsentative Arbeiten oder Photographien, die beispielsweise mit Hilla Becher besprochen wurden, aus ihrem Oeuvre als Exponate auszuwählen. Alle der Teilnehmer/-innen haben Hilla Becher in besonderer Erinnerung und schätzen sie als gleichberechtigte Partnerin neben Bernd Becher. Die Lehre Bernd Bechers ist ohne Hilla Becher, geb. Wobeser, tatsächlich nicht zu denken. Dass in diese Präsentation auch eine Reihe von Photographien von Max Becher und Andrea Robbins, Bernd und Hilla Bechers Sohn und Schwiegertochter, einbezogen wird, ist vor allem auf ihre geistige und künstlerische Verwandtschaft zurückzuführen – auch ohne, dass die beiden an der Kunstakademie studiert hätten. Sie studierten am Cooper Union College, New York.
Die Motivkreise, die in der Ausstellung zum Tragen kommen, bieten eine große Bandbreite. Sie beziehen sich auf die Beschäftigung mit dem Porträt, der Architektur, der Industrie, gefundenen Bildmaterialien und -daten ebenso wie mit Sachgegenständen, angetroffen im täglichen, urbanen und ländlichen Lebensumfeld, sei es im Innen- oder Außenraum. Nahsichten wechseln mit Fernsichten, Schwarz-Weiß-Photographien mit farbigen, großformatige Einzelbilder mit kleinerformatigen Serien oder planvoll gehängten Tableaus. Auch fiktiv anmutende Collagen und verfremdet utopisch wirkende Bilder sind vertreten. Insgesamt sind es ca. 220 Exponate, die seit den 1970er-Jahren bis in die Gegenwart entstanden sind; Arbeiten also, die einerseits noch in die Studienzeit der teilnehmenden Künstler fallen, andererseits auch darüber hinausgehen und neue Werke vor Augen führen. Das Entrée der Präsentation ist den Photographien von Bernd und Hilla Becher vorbehalten. Hier werden Gruppen von Hochofenwerken, aufgenommen in den USA zwischen 1979 und 1986, zu sehen sein, für die Hilla Becher eine besondere Vorliebe hatte.
Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur verband mit Bernd und Hilla Becher seit 1996 eine enge Kooperation, die sich auf die Aufarbeitung und Dokumentation gesamter Industrieanlagen bezog. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit werden heute im Sammlungsbestand nachvollziehbar, der mehrfach auch in Einzelausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Vergleichbar mit dem August Sander Archiv werden in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur wesentliche Teile des Archivs von Bernd und Hilla Becher bewahrt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.